Zurück in Europa - Gröden & Bormio, eine Achterbahn der Gefühle!

Nach einem Monat in Übersee war es für mich als heimatliebender «Bergler» wieder richtig schön, einheimische Luft zu schnuppern und im eigenen Bett zu schlafen. Doch wer denkt, man habe Zeit, sich gemütlich an die Zeitumstellung zu gewöhnen, dem weit gefehlt. Nach zwei erholsamen Nächten in den eigenen vier Wänden ging es für mich weiter in den Europacup nach Italien. Mit den zwei Super-G Rennen erhoffte ich mir zu alter Stärke zu finden. Mit einem 6. Rang sowie einem Ausfall im zweiten Rennen war ich aber weiterhin auf der Suche nach meiner «alten» Form. Gut erholt ging es nach circa einer Woche Pause weiter Richtung Südtirol. Der Klassiker in Val Gardena Gröden stand nämlich auf dem Programm.

Hier eine kurze und knackige Zusammenfassung der Woche:

  • Aufgrund einer abgesagten Abfahrt in Beaver Creek wurden zwei Abfahrten auf der Ciaslat ausgetragen.

  • Rang 43 im ersten Rennen – Also noch immer keine Punkte! Geduld ist gefragt…

  • Genug gewartet! – Die ersten Punkte des Winters sind Tatsache! Ich konnte im zweiten Abfahrtsrennen den ersehnten Befreiungsschlag mit Rang 14 landen! I am back Baby!

Nach der gelungenen Woche im Südtirol reisten wir in die Provinz Sondrio in Italien. Genauer gesagt ging es nach Bormio. Mit einem guten Gefühl und einem vollgepackten Rucksack mit Material und Selbstvertrauen, freute ich mich auf die Rennen auf der spektakulären Piste. In der Vergangenheit war mir diese Strecke immer wohl gesonnen und so sollte es auch in diesem Jahr sein. Ich erreichte Rang 6 in der Abfahrt – WOW, das war echt ein unglaubliches Gefühl, nach all den Strapazen, den Schmerzen und den extra Kilometern nach meiner wiederholten Verletzung, wieder zurück an der Spitze zu sein. Doch wie das Leben manchmal so spielt, kam einen Tag später beim Super-G die Ernüchterung. Freud und Leid waren so eng beieinander, dass es schon fast Filmreif wirkt. Nach gut zehn Toren auf der extrem vereisten Pista Stelvio erwischte ich einen Schlag und musste sofort abschwingen. Mein rechtes Knie schmerzte und ich konnte es nicht mehr belasten. Nach dem MRI in Zürich kam dann die Diagnose: Kreuzbandriss und damit das Saisonaus! Etwas sprachlos und verdutzt dachte ich mir, so kann es nicht weitergehen… Ich verfasste gut 60 Minuten nach den Untersuchungen kurzerhand ein Gedicht, um die Geschehnisse zu verarbeiten.

Oh Skirennsport mein alter Kumpel!

Mein Kopf so voll und doch so leer, darf ich reisen in der Welt umher. Mein letztes Gedicht geschrieben vor 15 Jahren, als wir, oh Skirennsport, noch Freunde waren. „Waren?”, so fragst du mich! Sag ich: “Überrascht es dich denn nicht?” - “Schau her Urs, viele Freunde hast du hier, Ortschaften entdeckt, Erfolge gefeiert und noch viel mehr. Glaubst du nicht, du solltest mir dankbar sein?” 

"Ich weiss, oh Skirennsport, mein alter Kumpel, es ist oft schön mit dir, aber manchmal auch etwas dunkel. Zu dieser Stund fühlt es sich an wie Nacht, haben zusammen geweint, zusammen gelacht, einiges durchgemacht, aber auch das eine oder andere Wunder vollbracht.” 

“Wie Brüder sind wir oh Skirennsport, Glück und Leid auf dem Weg vereint. Doch was ist nun genau geschehen?”, werden dich jetzt viele fragen. “Ganz einfach”, werde ich sagen, “einen weiteren Kreuzbandriss hat sich zugetragen.” Es klingt komisch, doch ist es so, bin ich für vieles dankbar und auch froh! Ein Leben wie dieses darf nicht jeder haben, da kann man schon mal den einen oder anderen Schmerz ertragen. Ich bleibe dabei, oh Skirennsport, bleibe positiv wie so oft. Hast du gehofft, ich bin am Boden? - Zeig ich es dir, schau nach vorne und setze auf vertraute Heilmethoden. 

Erst einmal „lei rasten“ ist jetzt der Plan, bleibe zuversichtlich und motiviert zu gehen, die Extrameile mit vollem Elan.

Wie ein alter Hase schreibe ich diese Worte, es wäre zu einfach nur zu berichten, wollte ich doch etwas Spezielles dichten. Es ist mir gelungen mehr oder minder, mein Gehirn geackert und gearbeitet wie ein Zwölfzylinder. Herzlichen Dank für all eure zahlreichen Nachrichten und Botschaften, sie haben mich sehr berührt, sind Balsam für meine Seele und ein Beweis für grossartige Freundschaften. Jetzt stehe ich da, mit erhobenem Haupt, bin positiv und gut gelaunt. It‘s all about good vibes meine Freunde, rutscht alle gut ins neue Jahr und seid gewiss, das Leben geht weiter, denn es ist nur ein Riss. 😜😉🙏

Urs Kryenbühl
Saisonstart in Übersee (Kanada & USA)

Die Saison ist losgegangen und mein Comeback ist meiner Meinung nach geglückt. Warum geglückt? Ganz einfach… Ich konnte am Start stehen und die Rennen bestreiten. Ende Juli hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass ich bei den ersten Weltcuprennen des Winters bereits wieder im Starthaus stehe.

Ganz so eifach war es dennoch nicht. In den Abfahrttrainings in Lake Louise (CAN) musste ich eine interne Ausscheidung fahren. Die Sicht war nicht sehr gut und dies verlangte mental wie körperlich alles von mir ab. Das Selbstvertrauen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht dasselbe wie in der Vergangenheit, doch ich konnte mein Ziel erreichen und mir einen Startplatz sichern. Beim Rennen landete ich leider ausserhalb der Punkte. Dies war natürlich schade, aber ich freute mich umso mehr darüber, wieder dabei zu sein.

Hier noch ein paar Eindrücke von Übersee…

Urs Kryenbühl
PS: We DiD it!

Ach ja, den schönen Sommer habe ich nicht nur zum Trainieren genutzt. Im August haben meine langjährige Partnerin Nadine und ich im kleinen Rahmen standesamtlich geheiratet. Wir hatten eine für uns perfekte kleine Hochzeit. Die Flitterwochen verbrachte ich anschliessend mit meinem Team in Zermatt auf den Skiern. ;)

Urs Kryenbühl
Erste Skitage und die Vorbereitung auf den Wettkampf

Der Sommer ist vorbei, die Wettkampfsaison steht vor der Tür. Kurzer Moment mal, bin ich denn überhaupt schon bereit dafür?

Es ist einiges passiert seit meinem letzten Update hier auf der Homepage. So sitze ich hier in einem Café in Zug und schreibe frei von der Leber einige Infos zu meiner Saisonvorbereitung auf den Skis. In den vergangenen Monaten wurde mir oft die Frage gestellt, wie es mir geht und ob ich die kommende Saison Rennen bestreiten werde. Ehrlich gesagt, wusste ich oftmals auch keine Antwort auf diese Frage. Nun ist einige Zeit verstrichen und ich kann sie beantworten. Ja, mein Ziel ist es, auch in diesem Jahr mein bestes Skifahren abzurufen und mich mit den Besten der Welt zu messen. Ob sich dies so umsetzen lässt, hängt von vielen beeinflussbaren, wie auch nicht beeinflussbaren Faktoren ab. Zum Beispiel von der Verletzung selbst, die manchmal noch etwas zwickt, vom Vertrauen, welches in den vergangenen Jahren auch etwas gelitten hat oder einfach auch von der Startnummer im Weltcup. Leider gehören für mich Startnummern in den Top 30 momentan der Vergangenheit an. Durch meine Verletzungen und den dadurch fehlenden Punkte starte ich nun in der Region um die 50 herum. Nichtsdestotrotz bin ich zuversichtlich und freue mich riesig auf die Saison.

Ich stand genau 211 Tage nach meiner Verletzung zum ersten Mal wieder auf den Skiern. Am 1. September zog ich meine ersten Schwünge durch den Schnee auf den Gletschern von Saas-Fee und hatte richtig Spass dabei. Später folgten einige Riesenslalomtrainings für eine “solide” Basis und danach begann ich bereits die ersten “Gehversuche” auf den längeren Skiern. Ich musste feststellen, dass dies zu Beginn mental eine riesengrosse Herausforderung war. Mit jeder Fahrt kam jedoch ein Stückchen Vertrauen zurück und ich fühlte mich wohler und wohler auf den langen Latten.

Unterhalb findest du ein Video von meinem Riesenslalomtraining und eines vom Speedtraining. So kannst du dir ein Bild davon machen, wie mein Skifahren momentan aussieht.

Urs Kryenbühl
Rehabilitationsphase / Konditionstraining

Erst einmal nichts machen, dies war das Motto zu Beginn meiner Rehabilitationsphase. Einfach nichts tun, die Seele baumeln lassen und dem Körper die Zeit geben, sich nach der Verletzung, den vielen Medikamenten und der Narkose zu erholen. Mithilfe diversen Therapiemethoden startete ich in das “Abenteuer” zurück in den Alltag und zurück auf den Schnee.

Erster kleiner Schritt: Therapieren und behandeln meines Narbengewebes im Knie und der Hüfte. Dabei unterstützten mich mein Schwiegervater und Naturarzt Sepp Marty sowie der Physiotherapeut Wytze Bakker. Kombiniert arbeiteten wir daran, mich und mein Knie beweglicher und damit trainingsbereit zu machen. Leichte Sporteinheiten waren zu diesem Zeitpunkt bereits wieder möglich. Somit war ich für den zweiten Teil meiner Reha bereit.

Beim zweiten Schritt ging es darum, mit einem strukturierten Aufbau in Unteriberg und Magglingen zu starten: Mit Laura Herr, Physiotherapeutin von Swiss-Ski, stiess jemand weiteres in mein Reha-Team hinzu. Sie ist für die Leitung und Planung meiner Reha verantwortlich.
Auch wenn ich mich mitten in einer Rehabilitationsphase befinde, fühlt es sich nicht so an, denn ich bin motiviert, wieder 100% fit und beschwerdefrei zu sein. Diese Verletzung ist eine weitere Aufgabe oder Challenge in meinem Leben, an der ich wachsen möchte. Es gibt nichts anderes als ein weiteres Mal das Beste draus zu machen.

Schritt drei in meiner Rehabilitation ist der Aufbau meiner verlorengegangenen Muskelmasse. Mein Körpergewicht war mit stattlichen 86 kg nach der Wintersaison auf 78 kg gesunken. Da während dieses Prozesses mehrheitlich Muskelmasse abgebaut wurde, war das überschüssige Fett noch immer vorhanden und von einem “Sixpack” war weit und breit keine Spur. Dies galt es wieder in Ordnung zu bringen und mit dem sogenannten “Muscle Memory” gelang es mir recht schnell, eine gewisse Beinmasse wieder aufzubauen. Mit Ramon Zürcher (propta-training.ch) habe ich in diesem Jahr einen neuen Konditionstrainer an meiner Seite. Da Jürgen Loacker, mein jahrelanger Konditrainer, ende Jahr seinen Hut ziehen wird, war es für mich an der Zeit, mich neu zu orientieren. In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal bei “Locki” für das tolle Training und die menschliche Begleitung über die Jahre hinweg bedanken. Gleichwohl freue ich mich auf die neue Herausforderung mit Ramon. Topmotiviert sind wir daran, mich Schritt für Schritt weiterzubringen, damit ich bald wieder auf den Skiern stehen kann.


Urs Kryenbühl